Auch wenn bisweilen der Eindruck entststehen mag, dass ich gewissermassen auf vergessenen Plätzen lebe und sie nur verlasse, um mir einen neuen Film zu kaufen, kann ich sagen, dass ich mir meine Brötchen genauso verdienen muss, wie jeder andere. Zudem in einem Spannungsfeld zwischen Hochschule, Entwicklung und Anwendung, welches nicht immer ohne Differenzen zwischen allen Beteiligten bleibt.
Ich verlasse also meinen Elfenbeinturm, um in einen anderen zu klettern. Zum zehnten Mal findet der Workshop on Positioning, Navigation and Communication inzwischen statt. Zuerst war das in Hannover (meiner alten Alma Mater), seit vier Jahren sind wir Gast in Dresden in der Hochschule für Wirtschaft und Technik, der vormaligen Ingenieurschule für Verkehrswesen.
Inhaltlich spannend, weil die Teilnehmer aus der ganzen Welt angereist waren. Vom MIT über die Ariel Univiersity bis nach Südkorea war das Feld gespannt.
Mein persönlicher Fehler ist ja, immer den konkreten Anwendungsfall im Hinterkopf zu sehen, anstatt den meist jungen Forschern ihre Visionen durchgehen zu lassen. Der Themenkomplex auf diesem Workshop hatte wie in den vergangenen Jahren den Schwerpunkt auf Indoor-Navigation gelegen. Meine Favoriten bei den Talks waren Henk Wymeersch von der Chalmers University, der eine ausgezeichnete Keynote über Cyber-Physical Systems abgehalten hat, wobei er etwas launig am Ende anmerkte, das diese ja nur ein etwas modernerer Begriff für Netzwerk-Analyse sei.
Pascal Bissig von der ETH Zürich war knackig mit seinem „Pocket Guide to Indoor-Mapping“, und das Highlicht des ersten Tages kam von
Lara Thomas, Airbus SAS Operation, die eine Verbesserung der an Bord von Flugzeugen befindlichen Sensorik mit kombinierten Gauss-Filtern zur exakten Höhenbestimmung über Grund entwickelt hat.
Dresden hat so seinen eigenen Charme zwischen Vergangenheit und Moderne (… Dresden, in den Musennestern/wohnt die süße Krankheit Gestern … erklingt es im „Turm“ von Tellkamp).
Ich gehe, wenn ich in Dresden bin (und mein Firma dafür bezahlt) gerne ins Hotel Pullman Newa direkt am Hauptbahnhof, oder, wenn man es andersherum sieht: Am Ende der Prager Strasse. Im 13. Stock zu wohnen, mit Fenstern, die bis zum Boden gehn und einer gläsernen Dusche mitten im Raum.
Ich habe das alles schon einmal hier erzählt, aber ich finde es bis auf den heutigen Tag faszinierend. Und, nein, ich schreibe das aus freien Stücken und nicht, weil ich etwa noch Geld vom Hotelbetreiber dafür bekomme! Weil man im Bett liegend auf die nächtliche und später die erwachende Stadt sieht. Grandios.
Wir diskutieren abends noch die verschiedenen Talks, stellen dabei auch fest, dass sich Versuche und Ideen sehr sehr ähneln und sind gespannt auf Tag zwei.
Der kommt nicht so richtig in Schwung. On the Sensitivity of RSS Based Localization Using the Log-Normal model: An Empirical Study läßt mich ans Bett im Hotel denken und auch Rebecca Adam von der Universität Kiel mit ihren Ansätzen über Semi-blind Channel Estimation gibt noch keine Inspiration, obwohl sie tatsächlich so eine Art kommunikativen Frontalunterricht mit dem Publikum versucht. Erst Roi Yozevitch aus Israel mit seiner Betrachtung von Accurate Lane Detection Using Commercial GNSS Devices holt mich nach der Mittagspause wieder in eine Ideenwelt zrück. Gute Denkansätze und eine lebendige Art überzeugen mich. Es lässt mich darüber nachdenken, ob wir nicht allzulange in der klassischen Navigation per GNSS die NLOS (Not Line Of Sight) Signale der Satelliten zu sehr vernachlässigt haben, obwohl sie inzwischen mit Partikelfiltermethoden als zuverlässige Hilfsgrösse zu verwenden wären.
So. Das wars mit der Wissenschaft, der Text dient auch eher als Memento an mich. Nächstes Mal wieder alte Sachen. Versprochen.