Wobei ich mir sicher bin, dass in diesem Kongresszentrum schon fröhlich getanzt werden konnte. Platz dazu gibt es jedenfalls. Auch wenn die Sichtbetonhülle, die man heute sieht, eher abschreckend ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob das, was hier steht, wirklich hundertprozentige Eigenleistung der DDR war. Dazu gibt es zu viele Ähnlichkeiten mit identisch scheußlicher Architektur aus dem Westen, die ich kenne. Vielleicht haben auch westliche Baukonzerne an diesem Schmuckstück mitgebaut. Immerhin sollte das hier ein Vorzeigeobjekt werden. Angeschlossen an ein Hotel, was hier schon länger stand sollte das Kongresszentrum Weltläufigkeit und Moderne vermitteln. Das was wir heute 80er-Jahre-Mief nennen.
Erstmal ist zu. Also Gelegenheit, um das Gelände zu schlendern. Fenster sind eingeworfen, spitze Zacken hängen von oben oder pendeln leicht in der verbliebenen Halterung, oder alternativ sind Pressspanplatten verbaut. Der Hoteleingang versprüht noch den Charme der späten sechziger mit Messingapplikationen und schrägen Türgriffen.
In jedem Zaun ist ein Loch, in jeder Mauer eine Lücke und in jedem Gebäude ein offener Zugang. Urbexers Regel Nummer eins. Wobei die Lücken und Löcher in der Regel eher von denen stammen, die unredliches Tun im Hirn haben.
Na ja, wenn es schon offen ist, kann man ja auch einen kleinen Blick hineinwerfen …..
Man muss sich erst zurechtfinden. Diverse Aufgänge, diverse Abgänge, plötzlich steht man im Keller vor Resten der gigantischen Kühlanlage, um sich gleich danach in der Bowlingbahn wiederzufinden.
Man beachte bitte die zeitgenössische Wandgestaltung auf der linken Seite sowie das angedeutete Tonnengewölbe aus Leichtmetall an der Decke. Sowas gabs seinerzeit auch in Wuppertal-Vohwinkel oder Hannover-Garbsen. Eine der Trefferanzeigen ist soagar noch ziemlich intakt.
Hinter der Bowlingbahn ist eine gemütliche Kellerbar, weiter oben und weiter hinten sind Restaurants, Nachtbars, Konferenzräume, riesige Küchen.
Ich könnte inzwischen fast jedesmal bevor ich einen Lost Place betrete, wetten, dass sich irgendwo etwas rotes prominent in einen Bildaufbau plaziert. Bingo. Diesmal ist es kein Hydrant, kein Sofa und auch kein Stuhl sondern ein Feuerlöscher.
Das Kongresszentrum hat die Neunziger noch erlebt, ist heile über die Wende gekommen und dann in diversen spekulativen Sümpfen untergegangen. Man hatte Pläne für eine Wellnessoase (50 Millionen Euor) ein Kongresszentrum (made me smile, 35 Millionen Euro) und nichts davon ist realisiert worden.
Einmal noch kam das Privatfernsehen hierher und produzierte eine furchtbar lahmarschige Polizei-Actionserie in dem Gebäude, was damals noch einigermassen intakt war. Seitdem ist hier der Vandalismus in seiner ausgeprägtesten Form zu sehen. Fast nichts ist mehr heile. Das ist gerade für einen Platz, wie diesen, wo sehr viel Glas verbaut wurde, natürlich schlimm.
Bei genauerer Betrachtung der Elektrotechnik und der Schalter (auf edlem Nußbaumfurnier) egibt sich hier ein Mix aus West- und Ostprodukten. Bei dem Schalter hier kamen mir Erinnerungen an meine alte Schulaula, die exakt die gleichen Knöpfe hatte.
Myriaden von Scherben lassen den Spaziergang zu einem akkustischen Erlebnis werden. Immerhin, man bemerkt schlimmstenfalls auch, wenn sich jemand anders nähert. Was aber an diesem sehr unterkühlten Märztag nicht der Fall ist. Trotzdem hüpft das Herz immer wieder mal, wenn der Wind durch die zerbrochenen Fenster pfeift und Türen oder lose Deckenplatten leicht melancholisch knarren.
Im Obergeschoss ist der Kinosaal. Aus unerfindlichen Gründen (vermutlich hat das was mit der Filmerei zu tun) wirkt er von aussen, wie eine Moschee.
Man erkennt noch die Luken, durch die der Projektor einst die Legende von Paul und Paula an die nicht mehr vorhandenen Leinwand geworfen haben könnte.
Im Vorraum ist auch kein Stein mehr auf dem anderem. Komischerweise ist der Stuhl nicht rot sondern grau. Aber das rote Objekt hatten wir ja schon.
Treppauf, treppab, Empfangstresen, zentrale Elektroverwaltung, Audiosteuerung, Kühlkammern, Büros, Sozialräume, Lagerräume. Dieses Biest ist riesig. Kein Mensch mehr da, auch vom Personal ist keiner mehr zu sehen.
Ich gebe keinen Pfifferling mehr für dieses Gebäude. Nach einigen Rangeleien mit dem zuständigen Bezirkstadtrat wird man dieses marode Häuflein Beton mit Hilfe einiger schwerer Maschinen ind handliche Betonwürfel verwandeln und dann ein ordentliches Kongresszentrum errichten. Oder ein Kongresszentrum mit Wohlfühloase.
Mal sehen, ob ich an der Garderobe meine Jacke wieder bekomme …..