72h – Borkum

8 Okt

Borkum, my Dear, ist eine ostfriesische Insel. Die größte um genau zu sein. Als Butenostfriese (Binnenostfriesen sind die, die da geblieben sind) lacht einem natürlich das Herz, wenn man man mal wieder in seine alte Heimat kommen muss. Und man muss, denn Kollege H. hat sich Borkum als Ort für seine Hochzeit ausgesucht.

Borkum ist im äussersten Nordwesten dieser Republik und wenn man dort hin will, kann es einem passieren, dass man – aus Versehen fast – die Niederlande ein wenig mitnimmt, indem man mal kurz am Eemshaven vorbeischrappt. Vorher sind leider die 530km aus Berlin  zurückzulegen, die sich nicht immer gefahren- und problemlos zurücklegen lassen.

Katamaran Nordlicht

Katamaran Nordlicht

Vom Emder Aussenhafen gehts dann mit 38 knots in knapp einer Stunde auf die Insel, die Kleinbahn vom Anleger in den Ort vollendet in wenigen Minuten die Reise. Das Hotel ist direkt in der Bahnhofstrasse.

Gediegen ist so ein Wort, was die Unterkunft beschreiben könnte, die Uhren ticken hier anders, wer ins Hotel will, achtet nicht so auf die drei Sterne, sondern darauf, dass er schnell am Strand oder in der Bismarckstrasse ist und nicht so sehr auf den Rest. Man schläft ja im Hotel höchstens. Und frühstückt.

Ich weiß nicht, ob man das jetzt als „Charme“ bezeichnet, oder gar „old fashioned“. Ich denke altmodisch reicht aus.

Hotel ***, Borkum

Hotel ***, Borkum

Wobei der Blick noch das schönste war. Egal. Wir waren zur Hochzeit hier und das bedeutete, den Bräutigam pünktlich zur Trauung in der Kirche bei seiner Braut abzuliefern. Was nicht so einfach war, denn es hatte sechs bis sieben Windstärken aus Südwest und da geht man als gestandener Surfer noch mal fix aufs Wasser.

86 Minuten to go ...

86 Minuten to go ...

OK. Hat funktioniert. Knapp eineinhalb Stunden vor den Ja-Wort haben wir ihn an Land gezerrt!

Die Braut war katholisch, der Bräutigam lutherisch, um eventuellen Streits aus dem Weg zu gehen, war die Hochzeit reformiert. Pastor Joachim Janssen band das Thema Surfen humorvoll in seine Predigt ein, es gab keine Pannen bei der Zeremonie und um kurz vor vier waren die beiden auch mit kirchlichem Segen ein Paar. Eines blieb allerdings auf der Strecke: Die Blumenmädchen konnten nur in der Kirche ein paar Rosenblätter verteilen, draussen schlug der Wind inzwischen zu stark zu. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hatte eine Sturmflutwarnung für die deutsche Bucht herausgegeben und die Blumen hätten sich sofort in alle Winde zerstreut ….

Reformierte Kirche Borkum

Reformierte Kirche Borkum

Feier im Hotel Hohenzollern direkt an der Strandpromenade. Wie Hochzeitsfeiern eben sind, Tanz, Essen, Torte, zwei, drei kleine Vergnügungen und um halb vier bei strammen Nordwest (ja, der Wind hatte inzwischen gut gedreht) ins Bett.

Am nächsten Morgen sah die Welt schon anders aus. Der am Strand ablandige Südwest hatte sich in der Nacht schon zum Nordwest mit 8 Windstärken gedreht und das Wasser brav in Richtung Promenade und Badestrand gedrückt. Die Wellenreiter waren entzückt, das Publikum hatte in Fehlkenntnis dieser Sportart erstmal Polizei und den Seenotrettungskreuzer Alfried Krupp alarmiert, die dann von den erstaunten Sportlern wieder beruhigt werden mussten.

Morgenhochwasser an der Borkummer Strandpromenade - 1,75m über NN

Morgenhochwasser an der Borkumer Strandpromenade - 1,75m über NN

Der frischgebackene Bräutigam war – was ja auch nicht anders zu erwarten war – Punkt Elf im Neoprenanzug wieder auf dem Weg ins Wasser.

Nachtrag: Auf dem Rückweg fahren wir wegen des Hochwassers sehr verspätet mit der „MS Ostfriesland“ zurück nach Emden. Das dauert zweieinhalb Stunden. Auf der Fähre ist es langweilig und deshalb studiere ich die Rettungspläne, die Schiffsinformationen und dergleichen mehr, bis mir auffällt, klein in eine Ecke des Schiffsplans geschrieben: Neubau Nr. 197, Jansen Werft Leer, 1985. Mhhm, ich habe 1983 vor dem Studium auf der Jansen Werft gearbeitet, in der Schlosserei. Ob ich hier noch irgendwas für die Ostfriesland mitgebaut habe? Die Jansen Werft ist unrühmlich und nicht nur mit eigenem Verschulden in den Konkurs gezwungen worden, wobei DGB, Banken und auch das Land Niedersachsen keine gute Figur gemacht haben. Das Werk war eine der modernsten Werften seiner Zeit und von den Kollegen in Papenburg wußte man damals nur, dass sie Fähren für Indonesien und Schaftransporter für arabische Länder aus ausgedienten Autofähren bauten.

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